Informationen über uns

Die Josefsthaler Förderwerkstatt wurde im Sommer 2006 als Einmann-Betrieb als Basis für die ambulante Eingliederungshilfe im häuslichen Bereich gegründet. Sie ermöglicht zum Leben, Lernen und Arbeiten den Verbleib im Familienverband. Sie bietet dem Behinderten neben der kompletten Pflegeversorgung durch die Familie eine fundierte theoretische und praktische Ausbildung im kunsthandwerklichen Bereich mit der Möglichkeit, das neu gewonnene Wissen  in der eigenen Werkstatt zu erproben und zu trainieren und viele verschiedene Objekte in einer Eins-zu-Eins-Betreuung herzustellen. Sie ist die kleinste Einrichtung und bislang  die einzige ihrer Art im Bereich des Regierungsbezirks Oberbayern. Aufgebaut wurde sie für Sebastian Vollmar, Jahrgang 1979, der durch einen Herzstillstand wenige Tage nach seiner Geburt fast blind und spastisch gelähmt ist, aber einen wachen Geist hat.

Da vergleichbare Projekte, Wohnen eines Schwerbehinderten mit sehr hohem Hilfebedarf kombiniert mit Förderung und Arbeiten in der eigenen Werkstatt zu Hause, in Oberbayern fehlen, war der Start sehr schwierig und zeitraubend. Einerseits galt es, die vielen gesetzlichen Möglichkeiten und Regelungen, sowie deren sehr unterschiedliche Auslegung durch die verschiedenen Behörden zu durchforsten. Eine Beratungsstelle gab es nicht, schon die Suche nach dem richtigen Ansprechpartner und der zuständigen Behörde war von vielen Irrwegen gekennzeichnet. Auch das Herausfinden der entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten eines solchen Projektes war äußerst schwierig. Nachdem aber schließlich das örtliche Sozialamt sich als die zuständige Behörde erwies, konnten wir uns in der Folgezeit zunächst immer auf die unkomplizierte Zusammenarbeit und Unterstützung der dortigen Mitarbeiter verlassen. Seit Januar 2009 hat der Bezirk Oberbayern die Zuständigkeit übernommen, was nicht zur Verwaltungsvereinfachung beitrug.

Andererseits erforderte die Entwicklung des optimalen Konzeptes und der technische Aufbau der Werkstatt viel Einsatz und Zeit. Dazu kommt die Suche nach geeigneten Mitarbeitern und deren Einarbeitung und Verwaltung. Wir starteten mit Mitarbeitern auf Minijobbasis, was zwar eine als positiv empfundene Vielfalt bietet, aber logistisch viele Probleme birgt, u.a. auch den häufigen Wechsel, da es für viele nur ein Überbrückungsjob vor einer anderweitigen Festanstellung in Vollzeit ist. Als Folge wird der weit überwiegende Anteil der Förderung neben der kompletten Pflege und der gesamte Verwaltungsaufwand noch von der Familie übernommen, d.h. von der Mutter und ergänzend dem Bruder von Sebastian.

Der Weg in die Selbstständigkeit für Menschen mit sehr hohem Hilfebedarf ist überaus steinig und erfordert den ganzen Einsatz seines sozialen Umfeldes. Ohne diesen Hintergrund scheint zur Zeit ein derartiges Projekt  kaum umsetzbar. Aber im Ergebnis lohnt sich dieser Weg auf jeden Fall: wenn auch in engen Grenzen, bekommt der Behinderte ein Stück Freiheit und Selbstbestimmung zurück und die Chance, aus den vorhandenen Ressourcen das bestmögliche Ergebnis zu entwickeln, den eigenen Rhythmus zu berücksichtigen und das Energiepotential gezielt einzusetzen. So kann ein wenig  Glück, Selbstbewusstsein und Zufriedenheit erlangt werden.

 

 

Nach über zehn Jahren skurrilen Eigenlebens und einer Menge Erfahrungen haben wir unsere Erlebnisse und Gedanken in einem Märchen niedergeschrieben. Viel Spaß beim Lesen!

  Die Entstehung der Josefsthaler Förderwerkstatt

oder

 Das Märchen vom kleinen Prinzen

vom fernen Planeten Cerebropareticum,

der versuchte, ein ordentlicher Erdenmensch zu werden.

 Es war einmal ein kleiner Prinz, der war fast blind und konnte nicht laufen aber er hatte einen wachen Geist und ein sonniges Gemüt.

 Mit großem Getöse aus dem Orbit bei uns aufgeschlagen passte er irgendwie gar nicht in unsere irdische Welt. Alles war so fremd, so laut und unheimlich. Warum waren alle Menschen um ihn herum so anders als er, warum verstanden sie ihn nicht, wo er doch immer mit ihnen sprach, Tag und Nacht? Kannten sie etwa die Schreisprache nicht? Und warum liefen alle herum, waren da und gleich wieder weg? Und was sie für seltsame Dinge taten: sie zogen sich aus und wieder an, sie schoben Essen mit dem Löffel in ihren Mund und nichts kam wieder raus, sie rannten die Treppen rauf und runter, immer machten sie Lärm, oder manchmal saßen sie auch einfach so rum und schauten in ein Buch, wozu?

 In dieser verrückten Welt fühlte sich der kleine Prinz ganz verloren.

Nach langem Abwarten versuchte der kleine Prinz, das ein oder andere von seinen Mitmenschen zu lernen, schließlich wollte er ja dazu gehören. Er wurde allmählich ruhiger und irgendwann beschloss er auch, das mit dem Schreien sein zu lassen, das half ja sowieso nichts.

 Als er alt genug war, ging er in den Kindergarten im Dorf, wo schon seine Geschwister waren und ihn alle so kannten, wie er war. Da war er dann wieder der kleine Prinz, der mittendrin saß auf seinem Königsthron mit den großen Rädern, den die Kinder darin durch die Gegend schoben und ihm die Kinderwelt zeigten. Auch wenn es manchmal stürmisch herging und er umfiel oder die Sandschaufel auf seinem Kopf landete, das gehörte dazu, auch die anderen Kinder fielen ständig hin oder waren in Schlachten verwickelt, dann wurde kurz geheult und gut war’s. So lernte er viele Kinder aus dem Dorf kennen, die er dann draussen beim Einkaufen oder am Spielplatz wieder traf, da gehörte er immer dazu, auch, wenn er eigentlich nichts mitmachen konnte. Später durfte er dann als Ministrant in einem eigens für ihn geschneiderten Rollstuhlfahrerministrantengewand in der Kirche mitarbeiten und die Oblaten tragen, was allerdings nicht immer gelang. Mit den Minis verbrachte er viel Zeit, sie nahmen ihn überallhin mit, ins Zeltlager und auf abenteuerliche Bergtouren. Und als Ministrant war er wer im Dorf.

 Nach glücklichen Kinderjahren kam die Schule dran. Da war der kleine Prinz dann wieder der aus der fernen Galaxie, zu nichts nutze, und der mit allen Mitteln erstmal in die richtige Form gebracht werden musste. Alle wollten ja nur sein Bestes, sagten sie, aber warum konnten sie ihn nicht einfach mal in Ruhe lassen und zufrieden sein mit dem, wie es war?

 Erst in der Waldorfschule konnte er wieder der kleine Prinz sein, das war sein Planet, da fühlte er sich gleich zuhause. Die liebevolle Atmosphäre hatte seine kleinen Blumen zum Wachsen gebracht. Das Märchenhafte und Verborgene um Ihn herum beflügelte seinen Forscherdrang und so strengte er sich an, lernte gerne und viel, von alten Griechen, von Wald und Meer und warum das Wetter so ist wie es ist, er versuchte, das Geheimnis der Zahlen und Buchstaben zu ergründen, er machte mit bei Musik und Kreistänzen, spielte Theater und war emsig bemüht bei der Werkstattarbeit. Er war selbst erstaunt, was in seinem Kopf so alles drin war und heraus wollte. Da war er  wieder der glückliche kleine Prinz wie in den Kinderjahren und nicht die kaputte Maschine, an der ständig was zu reparieren war. Viele Freundschaften konnte er schließen, die bis heute halten.

 Aber dann, die Schule war zu Ende und da stand er nun, der kleine Prinz, irgendwie ratlos und entwurzelt. Die anderen aus seiner Klasse waren alle überallhin verstreut in schönen großen Einrichtungen. Aber was wollten sie da? Es war doch so weit weg von zu Hause, da kannte er niemanden, die Geschwister waren nicht mehr da und die Eltern verschwunden.

 Nein, das wollte der kleine Prinz, der ja eigentlich schon ein großer Prinz war, ganz bestimmt nicht. Und das viel gepriesene Abnabeln und Selbstständigwerden war für ihn, der rund um die Uhr für alles Hilfe brauchte, sowieso nicht drin. Da war es besser, da zu bleiben, wo schon alles eingespielt ist und wortlos funktioniert und man nicht immer wieder von neuem bitten muss und alles erklären. Schule ja, das war eine schöne Zeit, aber das war nun leider endgültig vorbei.

 Für einige Jahre probierte der kleine Prinz aus, was er zusammen mit anderen in einer Förderstätte arbeiten könnte. Aber eigentlich konnte er ja gar nichts alleine machen. Die Betreuer, die da waren, musste er natürlich mit vielen anderen teilen, denn die anderen konnten ja auch nichts alleine, das war schon in Ordnung so.  

Aber schade war es schon, denn Ideen hätte der kleine Prinz schon viele gehabt, nur die Hände machten immer was anderes als sie sollten, wenn keiner sie lenkte, und die Füße konnten ihn nicht dorthin tragen wo er hin wollte. Und dann die langen Fahrten morgens und abends und den ganzen Tag sitzen, das war schon sehr ermüdend. So war er abends und am Wochenende immer sehr erschöpft und wollte nur noch schlafen. Die anfängliche Euphorie, sich in der Welt behaupten und etwas Sinnvolles tun zu können, machte rasch großer Enttäuschung Platz. Er wurde wieder zu dem unvollkommenen Außerirdischen, der geformt, erzogen und bevormundet werden musste, um angepasst und möglichst pflegeleicht zu werden.

 Der kleine Prinz wurde immer trauriger. Irgendwann wollte er nicht mehr essen und dann auch nicht mehr schlafen, denn er musste immer nachdenken und sich was einfallen lassen, wie man da rauskommen könnte. Damit er sich besser konzentrieren konnte, hatte er dann auch noch aufgehört zu sprechen.

 So ging es nicht weiter, da musste man die Notbremse ziehen, ein neues Leben musste her. Erstmal nach Hause in seine Berge, sich erholen und nachdenken. Vielleicht könnte man zu Hause was machen.

 Das war natürlich nicht so einfach. Leider konnte man niemanden fragen, denn scheinbar hatte sich noch niemand mit so hohem Hilfebedarf getraut, ausserhalb einer professionellen Einrichtung einen Arbeitsplatz auf Förderstättenniveau zuhause aufzubauen, oder die, die es probiert haben, hatten auch aufgehört zu reden und keiner weiß von ihnen.

 So musste der kleine Prinz halt alles selbst herausfinden dachte er ratlos. Leider war seine halbe Familie schon weit weg. Aber mit dem Rest der Großfamilie sollte doch was möglich sein. Die fand das mit dem neuen Leben eine ganz gute Idee und wollte ihn unterstützen.

 Mit ihnen zusammen überlegte der kleine Prinz, was er denn gerne alles tun würde: Musik hören, Ausflüge machen, lange schlafen, Freunde besuchen, mit dem E-Rolli durch die Gegend fahren, ganz viel lernen und natürlich was Ordentliches arbeiten.

 Davon ließe sich fast alles ganz gut realisieren, wenn er immer einen Assistenten zur Seite hätte. Aber für den Arbeitsalltag und die gezielte Förderung musste erstmal ein gut durchdachtes Konzept erarbeitet und umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden.

 So bekam der kleine Prinz zum Start zunächst einen neuen Computer, auf den viele unterschiedliche Programme installiert wurden, die seinen Möglichkeiten angepasst waren. Nach längerer Trainingszeit kam er bald weitgehend alleine damit zurecht und brauchte oft nur noch eine Endkontrolle. Da er fast nichts sehen konnte, wurde der Zugang zu allen Programmen über Spracheingabe eingerichtet. So musste er sich bemühen, die fast verlorene Sprache wieder zu erlernen und stetig zu verbessern, damit der Computer ihn verstand und ihm dann die Inhalte wieder vorlesen konnte. Bald war er in der Lage, kurze Briefe an seine Freunde zu schreiben oder Visitenkarten für alte Bekannte zu drucken. Zum Relaxen machte er Spiele am Computer und trainierte damit gleichzeitig Aufmerksamkeit und Geschwindigkeit.

 Dann war der Plan, zuhause eine kleine Werkstatt aufzubauen, schließlich hatte der kleine Prinz in der Waldorfschule eine Menge gelernt und viel Spaß beim handwerklichen Arbeiten entwickelt. 

Viele Ideen wurden gesammelt, und ein vielseitiges Arbeitsprogramm zusammengestellt, das es schrittweise umzusetzen galt. 

Zuerst brauchte es einen Arbeitsraum, Handwerk produziert Chaos, Lärm und Späne, das geht nicht im Wohnzimmer. Der Keller war als Werkstatt ungeeignet  wegen des Rollstuhls. Also musste die Küche dran glauben, zum Kochen war jetzt eh keine Zeit mehr.

 Dann brauchte man Material zum Verarbeiten, Werkzeuge und Maschinen, die die Arbeit erleichtern sollten, wurden ausprobiert und wieder verworfen, bis  eine Grundausrüstung gefunden war, die von dem kleinen Prinzen mit Unterstützung bedient werden konnte.

 Und weil der kleine Prinz immer auf Hilfe angewiesen war, brauchte er natürlich auch nette Menschen, die bereit waren, ihm zu helfen. Die alte Mutter allein reichte da nicht. Also musste man nach Menschen von außen suchen. Plötzlich war der kleine Prinz Arbeitgeber und musste neue Mitarbeiter anlernen und sich auch um die Finanzierung der Löhne kümmern. Da er selber kein Geld hatte, kam man um  den Gang zu irgendeiner Behörde nicht herum. Dazu war es Voraussetzung, dass man sich erstmal intensiv mit den Sozialgesetzen auseinandersetzte, um zu erfahren, was überhaupt möglich ist und wer dafür zuständig ist.

 Bewaffnet mit jederzeit zitierbaren Inhalten aus dem SGB begann für seine Familie eine lange, verwirrende Suche nach den richtigen Ämtern, weil in Deutschland das Leben eines  Behinderten in viele Einzelteile zerlegt wird und insbesondere an den Grenzstellen ein ständiges Hin- und Herschieben von einem Amt zum anderen üblich ist. Eine Unmenge Papier war, und ist immer noch, nötig, alles muss ausführlich beantragt werden, alles begründet, alles bewiesen werden, Gutachten hier, Gutachten da. Und jeder Sachbearbeiter in den Ämtern hatte seine eigene Ansicht, die sich überraschenderweise selten aus dem SGB begründete. Und natürlich wusste jeder viel besser als der kleine Prinz selbst, was für ihn gut war. Auch die Meinung seiner Familienangehörigen zählte nicht, die waren schließlich nach Behördenansicht keine Fachleute und eigentlich auch  irgendwie behindert.

Das alles ist nicht leicht zu verstehen, eine gemeinsame Sprache mit den verwaltenden Behörden zu finden ist äußerst schwierig und erfordert höchstes diplomatisches Geschick. Auch wenn man noch so aufgewühlt, frustriert und wütend ist und sich im Recht glaubt, lieber  runterschlucken und nichts sagen.

 Wenigstens konnte der kleine Prinz bei all dem Frust und Wirrwarr seine persönliche Resilienz entwickeln und die der Familie auch, denn die müssen ja alles managen, da ist der kleine Prinz fein raus, weil er ja immer die Hilfe anderer braucht.

 Nach all den Jahren beginnt sich eine gewisse Routine und Stabilität einzustellen, die Familie wurde im Laufe der Zeit zu perfekten Bürofachkräften, kann nahezu im Schlaf Lohnabrechnungen erstellen und Bilanzen berechnen, die vielen angeforderten Tabellen zu kreieren, ist fast schon Routine, die Gesetzestexte oder Bundessozial- und Bundesverwaltungsgerichtsurteile mit allen Begründungen sind im Kopf wie Kinderlieder, die Amtssprachen werden immer geläufiger, und nach manchen Rückfällen gelingt es immer besser, zu vorgeschriebenen Terminen die vorgeschriebenen Texte in vorgeschriebene Formblätter zu packen und mit den vorgeschriebenen Belegen zu garnieren. Mit den vorgeschriebenen Gedanken und vorgeschriebenen Wünschen und den vorgeschriebenen Tagesstrukturen dauert es noch ein bisschen länger. Aber wird schon.

 Neben all dem bürokratischen Kram bleibt eigentlich viel zu wenig Zeit für das, was der kleine Prinz eigentlich möchte: leben, arbeiten und noch viel lernen. Der Ausweg ist, die Nächte zu verkürzen und in Arbeitszeit umzuwandeln. Um das enorme Gesamtvolumen zu bewältigen, ist eine disziplinierte Arbeitsverteilung in der Familie unumgänglich. Die Mutter erstellt und aktualisiert die Förderpläne, entwirft die Produkte, ist zuständig für die Materialauswahl und Materialbeschaffung und für die  Arbeitsvorbereitung. Sie muss die theoretischen Grundinformationen einholen und bewerten, erarbeitet das Kulturprogramm, bereitet Ausflüge und Ausstellungen vor, übernimmt die komplette Pflege und die übermäßige Verwaltung. Der Bruder, obwohl voll berufstätig, ist Ansprechpartner für die Lösung technischer Probleme. Zur stundenweisen Entlastung der Familie werden Assistenzkräfte gesucht.

 Nur so konnte sich in den Jahren das Arbeitsspektrum in der neuen Werkstatt stetig erweitern. Epochenweise wird mit Holz, Keramik, Textil oder am Computer gearbeitet. So entstehen Krippen, Puppenhäuser, Vogelvillen, Spielzeug, geschnitzte Tiere und Bilderrahmen, Keramikgeschirr und Figuren aus Ton, Wollfiguren für Krippen und Mobiles, Stoffdruck und gewebte Teppiche, und am Computer unzählige Karten, gemalt, fotografiert oder fotomontiert. Meistens entstehen Unikate, manches wird auch mehrfach hergestellt, dabei oft verbessert oder abgewandelt. Alle Arbeitsgänge werden dabei so gestaltet, dass der kleine Prinz möglichst viel mitarbeiten kann, die ergotherapeutischen Anforderungen erfüllt und Überforderungen vermieden werden.

 Der kleine Prinz ist bei allen Vorgängen voll beteiligt , bei  der Projektplanung, der Materialauswahl und -beschaffung, beim Erstellen der Arbeitsablaufpläne, beim Einrichten des Arbeitsplatzes zu Beginn eines Projektes oder einer Epoche, beim gesamten Herstellungsprozess, auch, wenn er bei vielen einzelnen Arbeitsschritten nur zuschauen kann, und nicht zuletzt hilft er am Ende einer Arbeitseinheit  beim wieder Einräumen der Materialien an ihren Platz. Bei der Zusammenstellung der Ausstellungen kann er eigene Ideen mit einbringen und muss während der Ausstellung präsent sein,  um auf Fragen von Besuchern antworten zu können. Und dann muss er sich immer wieder die vielen Amtsschreiben vorlesen lassen, die in seinen Computer eingespeichert werden, auch wenn ihm noch vieles unverständlich bleibt. Nur so kann er allmählich in das Management hineinwachsen und immer mehr Planungsschritte selbst übernehmen oder aktiv delegieren.

 Der Aufwand ist schon riesig und Momente, in denen man zuhause alles aufgeben und einer schönen Einrichtung alles abgeben möchte, tauchen immer wieder auf. Aber dann besinnt man sich doch auf die Pluspunkte der Selbstständigkeit. Denn gewonnen hat der kleine Prinz die Freiheit, das zu tun, was ihm Spaß macht, was er leisten kann und was seine Ressourcen fördert. Auch wenn die täglichen Pflichtprogramme einen gewissen Rahmen vorgeben, hat der kleine Prinz die Möglichkeit, den Tag nach eigenen Wünschen und nach seiner Tagesform zu gestalten, vorausgesetzt, er hat jemanden, der ihm dabei hilft.

 So konnte der kleine Prinz neben seiner Arbeit in der Werkstatt viel Interessantes  erfahren. Regelmäßig schaut er sich auf Messen um und holt sich dort Anregungen für die kunsthandwerkliche Arbeit. Er besucht Kurse und Werkstätten, um Neues dazuzulernen. Er holt sich die Welt und Wissen herein über den Computer und das Smartphone, er macht Ausflüge, auch themenbezogene, er fährt mit der Gondel auf die Berge der Alpen, er hört viel Musik und geht in Konzerte, Ausstellungen und alte Kirchen. Und wenn er müde ist, kann er sich am helllichten Tag einfach hinlegen und schlafen oder mit seinem Hund abhängen und die Ruhe in seinen heimatlichen Bergen genießen.

 Gearbeitet wird viel und wann es anfällt, ruhig auch mal spät abends oder am Wochenende. Stolz kann er dann ein inzwischen vielseitiges Sortiment von in seiner häuslichen Werkstatt geschaffenen Objekten bei Ausstellungen zeigen und sich durch die Anerkennung der Besucher neue Motivation für seinen Arbeitsalltag holen.

 Nach zwölf Jahren gilt es, eine Zwischenbilanz zu ziehen: hat es sich gelohnt, den eigenen Weg zu gehen? 

Sicher, es erfordert eine Menge Arbeit, Phantasie und Durchhaltevermögen, sich gegen den Mainstream zu entscheiden und als Schwerpflegebedürftiger der Stufe fünf nicht in eine klassische Behindertenwerkstatt oder ins Heim zu gehen, sondern sich zu Hause ein sinnvolles Betätigungsfeld aufzubauen. Um das zu verwirklichen, braucht man ein unerschrockenes, rund um die Uhr einsatzwilliges, soziales Umfeld, das einen unbegrenzt unterstützt. Das wird in erster Linie die Familie sein, meistens die Mutter, da die Väter in der Arbeit sind und die erwachsenen Geschwister bereits ihr eigenes Leben haben. Nicht zur Familie gehörende einsatzfähige Mitarbeiter sind außerordentlich schwer zu finden, insbesondere im ländlichen Bereich und in Zeiten der Vollbeschäftigung wie derzeit.

 Und man braucht natürlich einen Raum, um darin arbeiten zu können, der möglichst in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus ist und die langen Fahrzeiten und die Fahrtkosten einspart.

 An die eigene Gemütsverfassung und die der Familie stellt ein derartiges Projekt hohe Anforderungen: Man muss Rückschläge ertragen können und trotzdem bereit sein, jeden Tag ein neues Leben zu beginnen und unbeirrt das Ziel weiterzuverfolgen, man muss mit viel Humor und Ironie der Skepsis und den Anfeindungen seiner Umgebung begegnen können, die Verhandlungen mit den verschiedenen Kostenträgern gilt es sehr gut informiert und vorbereitet, mit klar definierten Argumenten äußerst diplomatisch und möglichst ohne Emotion zu führen, am besten in Begleitung einer neutralen Person..

 Wenn man den unbedingten Willen dazu hat, überaus neugierig, lernwillig und lernfähig ist, eine große Liebe und Talent zu kreativem, handwerklichen Arbeiten hat, dann kann man auch als Autodidakt eine eigene Werkstatt zuhause am Laufen halten.

 Der Lohn für den kleinen Prinzen ist die Freiheit, in allen Bereichen des Lebens möglichst viel selbst entscheiden zu können, das Glück, etwas Sinnvolles tun zu können, das seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht und das auch anderen eine Freude machen kann, die Chance, sich durch immer wieder wechselnde Herausforderungen durch eine abwechslungsreiche Arbeit und Tagesgestaltung geistig fit zu halten und weiterentwickeln zu können, die Chance, durch jederzeit mögliche Ruhe- und Entspannungszeiten die Spastik abzubauen, das Geschenk, die Welt zu erkunden, auch außerhalb des üblichen „Behindertenrahmens“, und durch die Verlagerung des Lebensschwerpunktes von den Defiziten zu den Ressourcen ein gesundes Selbstbewusstsein und Ruhe und Gelassenheit zu entwickeln.

 Durch diese innere Stärke wird der kleine Prinz der  Bewältigung der Stürme des Alltags immer besser gewachsen sein. Diese Stärke wird ihm auch eine Stütze sein, wenn irgendwann das jetzige Prinzendasein nicht mehr aufrecht zu halten ist und sich der nächste, und womöglich auch der letzte, Lebensabschnitt in der anderen Welt eines Heimes erfüllen werden. 

Das war also (und ist noch) die Geschichte vom kleinen Prinzen, der auf der Nebenstraße unsere Welt erobern wollte und trotz aller Schwierigkeiten inzwischen ganz gut darin gelandet ist.

 Wenn Ihr mehr erfahren wollt, dann schaut doch mal diese Internetseite durch oder ruft einfach  mal an. 

Ihr könnt den kleinen Prinzen auch zu Hause in seiner kleinen Werkstatt besuchen und zuschauen, wenn er, verborgen im Schleifstaub, mit Unterstützung durch eine Mitarbeiterin mit seiner Minischleifmaschine einen seidigen Glanz auf  das Holz für ein Puppenhaus zaubert, oder  wenn aus einem Haufen bunter Märchenwolle ein König für die Weihnachtskrippe entsteigt, oder inmitten eines Schlachtfeldes aus matschigem Ton die Konturen eines Erdhörnchens sichtbar werden, und da, wo es richtig laut zugeht, eigentlich nur ein flauschiges Kissen am Webstuhl entsteht. …wenn er nicht gerade mit einer Seilbahn einen Berg erklommen hat und sich den Wind um die Ohren pfeifen lässt, oder sonst wo unterwegs ist, im Zoo, in einem Park oder in seiner heimatlichen Natur. Manchmal hängt der verträumte, noch fast glückliche kleine Prinz auch einfach in seinem bunten Rollstuhl zuhause auf der Terrasse mit Jakob, seinem großen Hund ab, genießt die warme Sonne und denkt an nichts, aber freut sich natürlich immer über einen unerwarteten lieben Besuch.

 

 

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